Fließgewässermodellierung

Wasserstandsinformation für Bundeswasserstraßen – auch zwischen Pegeln möglich?

Die WSV betreibt entlang der großen Flüsse zahlreiche Pegel zur Messung des Wasserstands und veröffentlicht z. B. am Rhein für 30 dieser Messstellen tagesaktuelle Werte in ihrem Gewässerkundlichen Informationssystem. Bis zum am weitesten stromabwärts gelegenen deutschen Pegel in Emmerich (Rhein-km 852) ergibt sich somit eine Datendichte von etwa einem Pegel auf 30 km Gewässerstrecke. Viele Fragestellungen der WSV und der Wasserwirtschaftsverwaltungen in den Bundesländern, z. B. im Hochwasserschutz oder der Raum- und Umweltplanung benötigen jedoch Wasserstandswerte in höherer Auflösung. Das Messnetz zu verdichten, wäre aufgrund des damit verbundenen Aufwands eine teure Alternative – nicht nur am Rhein, sondern auch an allen anderen Bundeswasserstraßen.

Die Lösung heißt: mathematische Abflussmodelle. Die BfG entwickelt und betreibt derartige Modelle seit den 1970er Jahren, um die Wasserstands- und Abflussverhältnisse an den Bundeswasserstraßen beschreiben und analysieren zu können. Während kontinuierliche Messungen nur an wenigen Orten – den Pegeln – durchführbar sind, schließen mathematische Abflussmodelle diese Informationslücken und liefern – als eine Art „virtuelle Pegel“ – durchgängige homogenisierte Abflüsse und Wasserstände für jeden beliebigen Punkt entlang eines Gewässers.

Hierbei interessiert nicht nur die heutige Situation (gewässerkundliche Ist-Beschreibung). An den häufig stark vom Menschen geprägten Wasserstraßen werden auch die gewässerkundlichen Verhältnisse der Vergangenheit untersucht, da sie den Blick auf den weitgehend naturnahen Zustand der Gewässer eröffnen. Dazu passen Experten die Modelle so an, dass sie die Gewässer im Zustand vor dem Eingriff des Menschen abbilden. Darüber hinaus werden mathematische Abflussmodelle zur Ermittlung möglicher zukünftiger Zustände eingesetzt. Schwerpunkte sind hier kurzfristige Vorhersagen (Niedrigwasser als Information für die Schifffahrt, Ablauf von Hochwasserwellen), die Abschätzung der überregionalen Wirkung Hochwasser reduzierender Maßnahmen (als wesentliche Aufgabe des Beratungsdienstes der BfG zum Nationalen Hochwasserschutzprogramm) oder langfristige Projektionen, wie sie der DAS-Basisdienst „Klima und Wasser“ bereitstellt. Fragen zu Planungen im Zusammenhang mit dem wasserwirtschaftlichen Ausbau und Unterhaltung, zur Fischdurchgängigkeit an staugeregelten Wasserstraßen oder zur Verbesserung der ökologischen Situation in den Flussauen können mit Hilfe dieser Modellierungen beantwortet werden. Vielmals sind die mathematischen Abflussmodelle auch Grundlage für weitergehende Modellierungen, z. B. zur morphologischen Entwicklung oder zur Gewässergüte.

Längsschnitt der Mosel mit Hochwasserschutzanlagen und Hochwassermarken
Längsschnitt der Mosel mit Hochwasserschutzanlagen und Hochwassermarken (Klicken zum Vergrößern)

Zur Abflussmodellierung setzte die BfG bis in die 1990er Jahre zwei Berechnungsansätze ein: ein stationäres Verfahren für die Berechnung von Wasserspiegellagen und ein hydrologisches Verfahren zur Beschreibung des Wellenablaufs. Heute sind es zeitgemäße, hydrodynamisch-numerische Modellsysteme, die die räumlich und zeitlich veränderliche Strömungssituation im Gewässer mit Hilfe mathematischer Gleichungen beschreiben (instationäre Berechnung). Großräumig angelegte Fragestellungen erfordern häufig, mehrere hundert Kilometer einer Wasserstraße zu modellieren. Hier kommen so genannte eindimensionale Modelle zum Einsatz, die den Fluss vereinfacht über den Abflussquerschnitt integriert als Linie betrachten. Dagegen beschreiben aufwändigere, zweidimensionale Modelle Wasseroberfläche und tiefengemittelte Strömungsgrößen räumlich differenziert. Wachsende Rechenleistung und Fortschritte bei der Modelltechnik ermöglichen es heute, zweidimensionale Modelle auch für große Gewässerstrecken performant anzuwenden, so dass diese inzwischen einen gleichwertigen Standard zur Strömungsmodellierung in der BfG darstellen.

Die BfG setzt für ihre großräumigen hydrologischen Untersuchungen aktuell v.a. die von Deltares (NL) entwickelten Modellierungspakete SOBEK (1D) und Delft3D-FM (2D) ein.

Partner und Auftraggeber der BfG sind die WSV sowie nationale und internationale Flussgebietsgemeinschaften und -kommissionen. Dabei findet stets eine enge Zusammenarbeit mit den Wasserwirtschaftsverwaltungen der beteiligten Länder, weiterer Behörden und verschiedenen Forschungseinrichtungen statt. Der weit gefächerte, interdisziplinäre Modelleinsatz und die interne und externe Zusammenarbeit führen zu einer ständigen Verbesserung der Modellqualität.

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