Umweltradioaktivität Binnengewässer

Das Referat G4 erfüllt im Rahmen eines gesetzlichen Auftrages (StrlSchG §161ff und IMIS-ZustV) mehrere Aufgaben der Überwachung der Umweltradioaktivität in Binnengewässern. So übermitteln 40 Stationen des Radioaktivitätsmessnetzes laufend aktuelle Messwerte an ein Frühwarnsystem zur Entdeckung möglicher Einträge radioaktiver Stoffe in die Bundeswasserstraßen. Laboranalysen an Wasser-, Schwebstoff- und Sedimentproben liefern genaue Erkenntnisse zum Vorkommen natürlicher und künstlicher Radionuklide. Als Leitstelle des Bundes und Teil des IMIS ist die BfG außerdem für die Prüfung der Daten zuständig, die die Bundesländer an ihren Binnengewässer-Messstellen erheben, das heißt an Fließgewässern außer Bundeswasserstraßen und Seen/Talsperren. Zu den weiteren Aufgaben gehört die Qualitätssicherung der Analytik, wozu Messanleitungen erstellt und Ringversuche durchgeführt werden. Im jährlich erscheinenden Bericht „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung“ des BMUV veröffentlicht die BfG eine bewertete Zusammenfassung eigener Labormesswerte, weiterer Messungen an Binnengewässern und aus der Immissionsüberwachung des aquatischen Nahbereichs kerntechnischer Anlagen.

Diagramm"Cäsium-137 in Schwebstoff"
Quelle: BfG Jahresmittelwerte 1978 – 2022 des künstlichen Radionuklids Cs-137 in Schwebstoffen von Donau, Elbe und Rhein. Mit dem Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr 1986 steigen die Werte sprunghaft an (logarithmische Skala!) und liegen in der Donau bis heute über dem ursprünglichen Niveau.

Überwachung der Bundeswasserstraßen auf radioaktive Stoffe

Ein Indiz für die Belastung eines Gewässers mit radioaktiven Stoffen ist die Gesamt-Gamma-Aktivität, die die BfG routinemäßig an den 40 Stationen ihres Radioaktivitätsmessnetzes entlang der Bundeswasserstraßen bestimmt. In den Stationen wird das Flusswasser durch Messschalen geleitet, die mit Blei von der atmosphärischen Hintergrundstrahlung abgeschirmt sind, und in denen kontinuierlich mit NaI(Tl)-Szintillationssonden gemessen wird. Die Leitzentrale in der BfG in Koblenz ruft die Messwerte regelmäßig online ab. Im Routinebetrieb werden die Daten monatlich zusammengefasst und danach im Geoportal des Bundesamtes für Strahlenschutz veröffentlicht. In einem radiologischen Notfall können die Messwerte der Gamma-Aktivität häufiger abgerufen werden und bilden so die Datengrundlage für ein Frühwarnsystem, mit dem sich Einträge radioaktiver Stoffe in Bundeswasserstraßen erkennen lassen. Die 40 Stationen des Radioaktivitätsmessnetzes sind mit automatischen Probenehmern ausgerüstet, die Tagesmischproben des Flusswassers sowie Monatsproben der Schwebstoffe entnehmen. Dazu kommen noch viertel- bis halbjährliche Sedimentprobennahmen. Die Proben werden nach dem Transport in die BfG für unterschiedliche Labormessungen vorbereitet, die eine genaue Beurteilung des Vorkommens natürlicher und künstlicher Radionuklide in Wasser-, Schwebstoff- und Sedimentproben der Bundeswasserstraßen ermöglichen. Während die Messungen an Wasser- und Schwebstoffproben den aktuellen Gewässerzustand abbilden, ermöglichen die Analysen von Sedimentproben auch Rückschlüsse auf frühere Einträge und historische Trends. Die geprüften und bewerteten Messdaten werden in das IMIS übertragen und regelmäßig in Berichten veröffentlicht. Genaue Informationen zu den Messprogrammen finden sich in der AVV-IMIS.

Verhalten von Radionukliden und untersuchte Kompartimente in Fließgewässern
Quelle: BfG Verhalten von Radionukliden und untersuchte Kompartimente in Fließgewässern

Leitstellen-Aufgaben

Das Referat G4 überwacht nicht nur die Umweltradioaktivität in den Bundeswasserstraßen durch eigene Messungen, es ist auch als Leitstelle des Bundes für den gesamten Bereich der Binnengewässer zuständig. Die Überwachung der Umweltradioaktivität in Fließgewässern außer den Bundeswasserstraßen sowie in stehenden Gewässern (Seen und Talsperren) obliegt den Bundesländern, wozu diese etwa 40 Messstellen betreiben. Die BfG prüft die aus diesen Landesmessstellen stammenden Messdaten und fasst sie in Berichten zusammen. Für die jährliche Berichterstattung werden dabei auch die Daten aus der Immissionsüberwachung des aquatischen Nahbereichs kerntechnischer Anlagen berücksichtigt, die parallel von den Betreibern und den amtlichen Messstellen gemäß der REI ermittelt werden. Eine weitere Aufgabe ist die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung analytischer Methoden, z. B. mittels Vergleichsanalysen (Ringversuche). Dabei untersuchen mehrere Labore das gleiche Probenmaterial. Anschließend werden die Ergebnisse miteinander verglichen. So lassen sich Abweichungen und systematische Fehler erkennen und man kann die Genauigkeit der eingesetzten Analyseverfahren beurteilen. Als Leitstelle gibt die BfG zudem Messanleitungen zu Probenentnahmeverfahren und radiochemischen bzw. radiometrischen Analysemethoden heraus und entwickelt diese weiter.

Tritium (H-3) im Flusswasser
Quelle: BfG Tritium in Mosel, Rhein, Elbe, Ems, Donau und Saar

Die Grafik zeigt Jahresmittelwerte des Radionuklids Tritium (H-3) im Oberflächenwasser von Mosel, Rhein, Elbe, Ems, Donau und Saar von 1974 bis 2022. Tritium wird in geringen Mengen durch natürliche Prozesse in der Atmosphäre gebildet und gelangt durch Niederschläge in die Gewässer. Die in den 1970er Jahren stark erhöhten und anschließend abfallenden Tritiumkonzentrationen sind jedoch nicht natürlichen Ursprungs, sondern durch oberirdische Kernwaffentests entstanden. Zudem erfolgt ein Tritiumeintrag durch genehmigte Kühlwasserableitungen aus Kernkraftwerken. So zeigt die Grafik erhöhte Tritiumwerte seit Inbetriebnahme der Kernkraftwerke Cattenom (1986, Mosel) bzw. Emsland (1988, Ems).

Ausbreitungsprognosen

Ausbreitungsmodellierung

Zur Überwachung der Umweltradioaktivität erstellt das Referat G4 Ausbreitungsprognosen radioaktiver Stoffe an Bundeswasserstraßen. Sollte es zu einem Ereignisfall kommen, z. B. einer unfallbedingten Ableitung aus einem Kernkraftwerk, kann der Transport der Radionuklide im Flusswasser und die damit verbundenen Konzentrationserhöhungen und -durchgänge kurzfristig simuliert werden. Die BfG stellt die Modellierungsergebnisse dem Radiologischen Lagezentrum des Bundes (RLZ) zur Verfügung, welches damit potentiell betroffene Gebiete identifizieren und entsprechende Strahlenschutzmaßnahmen festlegen kann.

Modell QSim (Quality Simulation)

Für die Ausbreitungsprognosen wird als Grundlage das in der Abteilung U entwickelte Gewässergütemodell QSim eingesetzt. Neben Bausteinen zur Simulation biologischer und chemischer Prozesse verfügt es auch über ein Modul zur Berechnung des gelösten Stofftransportes. Das Modell hat einen eindimensionalen Ansatz und simuliert den Transport und die Verteilung der Radionuklide im Flusslauf bei verschiedenen stationären Strömungen mittels mathematischer Gleichungen.

Dispersionsversuche

Beispiel einer Ausbreitungssimulation mit QSim nach einer angenommenen unfallbedingten Ableitung. Erkennbar sind die betroffenen Gebiete und der zeitliche Verlauf der Aktivitätskonzentration.
Quelle: BfG Beispiel einer Ausbreitungssimulation mit QSim nach einer angenommenen unfallbedingten Ableitung. Erkennbar sind die betroffenen Gebiete und der zeitliche Verlauf der Aktivitätskonzentration.

Um im Ereignisfall belastbare Ausbreitungsprognosen erstellen zu können, benötigt man genaue Kenntnisse über die Verteilungsprozesse im Fließgewässer. Diese sind sehr komplex und hängen von der Flussmorphologie und den aktuellen hydrologischen Randbedingungen ab. Das Referat G4 führt deswegen Dispersionsversuche durch, bei denen das Flusswasser mit einer geringen Menge eines so genannten "Tracers" markiert und flussabwärts an mehreren Messtellen erfasst wird. Als beinahe idealer Tracer hat sich das Wasserstoffisotop Tritium (H-3) erwiesen, da es sich in Verbindung mit Sauerstoff chemisch wie „normales“ Wasser verhält, im Fluss unverändert transportiert wird, keinen Sorptionseffekten unterliegt und messtechnisch sehr genau erfasst werden kann. Mit den Ergebnissen lassen sich die Ausbreitungsmodelle kalibrieren – und dies nicht nur für Radionuklide, sondern für sämtliche gelöste Schadstoffe.

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