Flussauenmodell INFORM

Integrated Floodplain Response Model oder kurz INFORM heißt das ökologische Flussauenmodell der BfG. Es wurde entwickelt, um die ökologischen Auswirkungen zukünftiger Änderungen im Fluss zu prognostizieren. Vor allem Änderungen des Wasserstandes beeinflussen die Lebensgemeinschaften im Fluss, aber auch in der angrenzenden Flussaue. Mit dem Expertensystem INFORM ist es schon in den frühen Planungsphasen möglich, die ökologischen Auswirkungen zukünftiger Maßnahmen darzustellen und zu bewerten. Die modellgestützte Methode ist in der Praxis flexibel einsetzbar und kann mit ihren aussagekräftigen Ergebnissen die herkömmliche verbal-argumentative Analyse unterstützen. Die als Bundeswasserstraßen genutzten Flüsse Deutschlands unterliegen einem ständigen Wandel. Zum einen sind es die natürlichen Prozesse wie Erosion, Sedimentation, Anlandungen oder Abbrüche an Flussufern, die Änderungen der hydraulischen Kenngrößen bewirken können. Aber auch anthropogene, also durch den Menschen hervorgerufene Einflüsse wirken sich auf den Fluss aus – wie z.B. bauliche Maßnahmen der WSV oder durch den prognostizierten Klimawandel bedingte Abflussänderungen. Auch Nutzungsänderungen der angrenzenden Auen können sich auf die Lebensgemeinschaften im Fluss auswirken. Die WSV muss die ökologischen Auswirkungen von Ausbau und Unterhaltung der Bundeswasserstraßen berücksichtigen. INFORM wurde speziell zur Unterstützung dieser Aufgaben entwickelt. In der Anwenderversion INFORM.DSS kann es bereits im frühen Planungsstadium eingesetzt werden und einzelne Bauvarianten aus ökologischer Sicht auswählen oder optimieren. Später kann es die geforderten Gutachten mit detaillierteren Aussagen begleiten und ergänzen.

INFORM betrachtet dabei die ökologischen Veränderungen im Fluss und in der Flussaue. Für die Aue gilt, dass der Faktor Wasser das Ökosystem der Flussaue entscheidend beeinflusst und das Vorkommen von Vegetation und Fauna steuert. Für den Fluss selbst sind, will man den Einfluss auf Fische und Makrozoobenthos untersuchen, zusätzliche Daten zu Fließgeschwindigkeit, Gewässerstrukturen und deren Änderung erforderlich. INFORM verbindet und aktiviert unterschiedlichste Systemkomponenten, Programmteile und Programmtechniken. Es bereitet die ökologisch relevanten Daten eines Flusses und der angrenzenden Aue zu planungs- und entscheidungserheblichen Ergebnissen auf. Damit ist es z. B. für die WSV als Planungsinstrument effektiv einsetzbar.

Das Modellsystem INFORM

Schematische Darstellung der Wirkungspfade
Source: Bundesanstalt für Gewässerkunde Wirkungspfad in der Flussaue

Das Berechnungssystem INFORM kann im Expertenmodus ökologische Prognosemodelle erstellen und kalibrieren – mit dem Ziel einer möglichst flächenscharfen und biotisch genauen Modellaussage. Das System benötigt hierzu exakte Flusswasserstandswerte und Überflutungsdauern sowie Daten zu Grundwasser und Boden, da diese Parameter die Lebensräume für Vegetation und Fauna der Flussaue maßgebend prägen. Dagegen kommt die Abschätzungsversion INFORM.DSS im Anwendermodus mit deutlich weniger Eingangsdaten aus. Als geographisches Informationssystem ermöglicht INFORM räumliche Aussagen. Es ist modular aufgebaut und kann jederzeit erweitert oder geändert werden. Übergeordnete Systembausteine beinhalten einzelne Systemkomponenten, die durch eine Benutzeroberfläche miteinander verbunden sind. In den Komponenten bilden die modellrelevanten Faktoren in zumeist regelbasierten, empirisch-deterministischen Modellen die Habitateignung für die jeweilige Organismengruppe (z.B. Schnecken) ab. Fachwissenschaftler der BfG erstellen die Modellierungsregeln und überprüfen sie. Falls erforderlich, werden die Regeln verbessert. Die ökologische Modellierung erfolgt in den biotischen Systemkomponenten für Pflanzenhabitate, Flussauenhabitate von Laufkäfern, Muscheln und Schnecken sowie für die aquatischen Habitate von Fischen und Makrozoobenthos.

Karte des Naturschutzgebiets mit Wasserstraße
Source: Bundesanstalt für Gewässerkunde Beispiel eines Modellergebnisses: Einfluss einer geplanten Baumaßnahme auf ein Naturschutzgebiet

Das Bewertungsverfahren ist an die anerkannten Verfahren UVU und URE angelehnt. Es systematisiert und veranschaulicht die bisher oft nur verbal durchgeführten Bewertungen. Am Ende der Modellierung stehen Karten mit den Flächen potenzieller ökologischer Veränderungen. Es sind diverse ökologische Bewertungen machbar: so ist es z.B. möglich, tolerierbare Veränderungen im Flusswasserstand zu ermitteln, indem dieser pauschal angehoben und abgesenkt wird (Simulation). Dann bestimmt das Modell den Zustand, der in Bezug auf sensible Flussauenbereiche ökologisch gerade noch vertretbar ist. Das kann wichtig sein, wenn es z.B. um die Auswirkung einer Maßnahme auf ein in der Nähe gelegenes Naturschutzgebiet geht. Wirken sich die ökologischen Veränderungen in den Biotoptypen nicht bis zum Naturschutzgebiet (NSG) aus und sind die von der Veränderung betroffenen Bereiche nicht sensibel, so kann davon ausgegangen werden, dass die Maßnahme zu keinen erheblichen Veränderungen führt.

Karte
Source: Bundesanstalt für Gewässerkunde Rote-Liste-Status von Pflanzen in der Aue durch Eintiefung der Flusssohle. Rot: Verschlechterung, Grün: Verbesserung. Je blasser die Farbe, desto länger dauert es, bis die Veänderung eintritt (10 - 60 Jahre)

Wenn die Eintiefungstendenzen z. B. durch externe Modellrechnungen bekannt sind oder durch schrittweise Annahmen in INFORM simuliert werden, können diese Daten als Grundlage einer Modellierung herangezogen und damit die ökologische Wirkung dieser Maßnahme in der Flussaue ermittelt werden. Weiterhin ist es möglich auszuwerten, wie sich Erosionserscheinungen der Flusssohle auf die Ökologie auswirken. Auch hier werden die von Veränderungen in der Flussaue betroffenen Flächen im Lageplan ausgewiesen. So lässt sich, abhängig von den jeweiligen Auswirkungen, ermitteln, wie dringlich mögliche Gegenmaßnahmen eingeleitet werden müssen.

INFORM.DSS – Die Anwender-Version von INFORM

Benutzeroberfläche
Source: Bundesanstalt für Gewässerkunde Benutzeroberfläche von INFORM.DSS

INFORM.DSS ist ein Entscheidungs-Unterstützungssystem für den Endanwender. Der Planer kann damit natürliche Veränderungen und bauliche Vorhaben in der Flussaue auf einfache Weise in Form von Modellvarianten darstellen und deren mögliche ökologische Auswirkungen vorhersagen. Das macht INFORM.DSS zu einem aussagekräftigen, praxistauglichen Prognosesystem für die WSV. Der Planer kann im Anwendermodus auf einfache Weise die komplexen Modelltechniken des Expertensystems INFORM verwenden. Möglich wird dies dadurch, dass der Experten-Teil quasi vorweggenommen wird: meldet der Anwender ein Projekt bei der BfG an, bauen die BfG-Experten das INFORM.DSS-Projekt maßgeschneidert auf. Dabei wird auch festgelegt, welche Systemkomponenten INFORM für die Modellierungen nutzt. Das durch die BfG-Experten plausibilisierte Projekt wird dann auf dem BfG-Server für den Anwender bereit gestellt. INFORM.DSS hat eine anwenderfreundliche Benutzeroberfläche mit dem "look and feel" von Windows®, die das Pre- und Postprozessing und alle weiteren Arbeitsschritte der ökologischen Modellierung auf einfache Weise organisiert. In der Grundeinstellung sieht der Benutzer einen viergeteilten Bildschirm mit Fenstern zu Navigation, Bearbeitung/Lageplan, Ansicht/Querprofil und Legende. Das System führt den Anwender durch das Programm und sichert so die richtige Reihenfolge der Bearbeitungen. Die Bedienung des Programms erfolgt durch Auswahl von Daten oder Eingabe von Parametern in der Navigationsleiste. Die Platzierung und die Ausdehnung der Maßnahmen werden im Lageplan durchgeführt. INFORM.DSS stellt in einem Maßnahmenkatalog die folgenden 12 Grundwerkzeuge bereit:

  • Buhnen und Parallelwerke
  • Sohlaufhöhung und -vertiefung
  • Vorlandaufhöhung und -vertiefung
  • Ufervorschüttung und -abgrabung
  • Deichvor- und Rückverlegung
  • Anpflanzen und Entfernen von Auengehölzen
Diagramme
Source: Bundesanstalt für Gewässerkunde Änderung und Bewertung der Biotik in den Rechenfällen R01-R07

Nach Aufruf eines Werkzeugs öffnen sich Bearbeitungsfelder, in die Grundinformationen einzugeben sind. Anschließend können die Ausmaße des zu planenden Bauwerks in den Lageplan passgenau eingetragen werden. Das System weist die ungefähre Größe der Veränderungsfläche und – falls vorhanden – auch die zu bewegenden Massen (z.B. der Aushub bei einer Abgrabungsfläche) aus. Als Zwischenergebnis wird die hydraulische Veränderung des betrachteten Flussabschnitts ermittelt, die die Grundlage der gewünschten ökologischen Modellierung bildet. Parallel dazu liefert das System dem Anwender eine erste Einschätzung der zu erwartenden Baukosten. INFORM.DSS verwendet das gleiche Bewertungssystem wie sein "großer Bruder" INFORM, aber es stellt die Ergebnisse zusätzlich rechenfallbezogen in Diagrammen dar. Es fasst die Einzelergebnisse von Vegetation und Fauna zur „Biotik“ zusammen und stellt diese in Balkendiagrammen als Veränderung zum Ist-Zustand sowie als ökologische Bewertung dar. Mit INFORM.DSS lässt sich schnell und einfach ein Bericht über die Modellberechnungen mit den vorgenommenen Einstellungen generieren. Es kann nicht nur die Modellergebnisse in einer standardisierten Form ausgeben, sondern auch sämtliche zuvor im Modell eingegebenen Grund- und Rechenfalldaten. Während der Berichtskonfiguration lassen sich die zu berücksichtigenden Rechenfälle und die darzustellenden Ergebnispläne auswählen. Dabei können beliebige Ausschnitte aus dem Untersuchungsgebiet im Lageplan festgelegt werden. Der im pdf-Format abgespeicherte Ergebnisbericht erhält automatisch ein Inhaltsverzeichnis, Kopf- und Fußzeilen u.a. mit Seitenzahlangaben und bei Bedarf auch eine Rechenfallhistorie.

INFORM in der Praxis

Karte der Untersuchungsgebiete mit INFORM
Source: Bundesanstalt für Gewässerkunde Karte der Untersuchungsgebiete mit INFORM

Den Grundstein für die Entwicklung der INFORM-Modellierung bildete Mitte der 1990er-Jahre die Machbarkeitsstudie für den Untersuchungsraum „Vynen/Rees“ am Niederrhein. Anschließend erfolgte im Rahmen des vom damaligen BMFT (heute: BMBF) geförderten RIVA-Projektes die Übertragung der Modelltechnik auf die Mittelelbe. Hierbei wurde die Multivariate Statistik in INFORM integriert. Die Modellkriterien wurden ebenfalls erfolgreich an der Donau getestet. Inzwischen existieren zahlreiche weitere Modellierungen an der Elbe. An der Aller liegen nach mehrjähriger Datenerhebung genügend Informationen vor, um die Modellmethodik von INFORM auf die Berechnung staugeregelter Flüsse auszudehnen. INFORM wurde in den vergangenen Jahren zusätzlich für den Einsatz an der Küste erweitert.

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