Beratungs- und Modellierungsdienst NHWSP / eNHWSP

Hochwasser sind wiederkehrende Naturereignisse, deren Auftreten nicht verhindert werden kann. Allerdings lassen sich die Folgen von Katastrophen, wie denen in den Sommern 2013 und 2021, durch ein gut koordiniertes und länderübergreifendes Risikomanagement abmildern.

Der Beratungs- und Modellierungsdienst der BfG liefert für das Nationale Hochwasserschutzprogramm (NHWSP) wesentliche Grundlagen für einen effizienten Hochwasserschutz und einen zielgerichteten Mitteleinsatz. Er unterstützt somit den Bund bei der Umsetzung des NHWSP in seiner Koordinierungsfunktion. Die BfG betreibt hierzu in Kooperation mit den Bundesländern großräumige IT-gestützte hydraulische und hydrologische Simulationsmodelle und stellt zur Koordinierung der finanziellen Abwicklung den webbasierten Planungsassistenten eNHWSP bereit.

Veranlassung

Elbehochwasser 2013, Luftbild auf Gohlis
Source: Umweltamt Sachsen Elbehochwasser 2013, Luftbild auf Gohlis

Unmittelbar nach den verheerenden Hochwassern im Juni 2013 im Elbe- und Donaugebiet fassten der Bund und die für den Hochwasserschutz zuständigen Länder gemeinsam den Entschluss zur Erarbeitung eines Nationalen Hochwasserschutzprogramms (NHWSP). Dieses wurde auf der Umweltministerkonferenz am 24. Oktober 2014 beschlossen und enthält eine bundesweite Aufstellung mit vordringlich umzusetzenden, überregional wirksamen Schutzmaßnahmen. Ziel ist es, diese Maßnahmen innerhalb eines Flussgebiets so zu kombinieren, dass möglichst viele Menschen von ihnen profitieren. Hierzu betreibt die BfG einen Beratungs- und Modellierungsdienst, um Fragen des Bundes und der Länder zur überregionalen Wirksamkeit von Maßnahmen beantworten zu können.

Ziele

  • Beratung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und (mittelbar) der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) zur Wirkungsweise der Maßnahmen des NHWSP im Hinblick auf den zielgerichteten Mitteleinsatz der Bundesmittel
  • Entwicklung, Pflege und Betrieb von großräumigen IT-gestützten hydraulischen und hydrologischen Simulationsmodellen der Fließgewässer in den deutschen Flusseinzugsgebieten zur Analyse der überregionalen Wirksamkeit der im NHWSP geplanten Maßnahmen
  • Erhebung, Prozessierung und Bereitstellung aktueller geodätischer Grundlagen, darunter insbesondere für die hydraulische Berechnung benötigter digitaler Geländemodelle der Wasserläufe (DGM-W) sowie Geofachdaten von Extremereignissen
  • Weiterentwicklung, Pflege und Betrieb des Planungsassistenten eNHWSP zur Abstimmung und Koordination der Aufteilung der finanziellen Mittel des Bundes mit den Ländern sowie von Werkzeugen zur Datenerfassung und Ergebnisdarstellung

Ergebnisse

Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens „Untersuchungen zur Ermittlung der Wirkung von präventiven Hochwasserschutzmaßnahmen im Rahmen des NHWSP“ (2015-2020) wurden von der BfG in Zusammenarbeit mit den Ländern umfangreiche hydraulisch-hydrologische Bund-Länder-Modellsysteme für das Donau-, Elbe- und Rheingebiet aufgebaut. Mit ihrer Hilfe konnte die Wirkung der in den Flussgebieten geplanten NHWSP-Maßnahmen auf verschiedene Hochwasserwellenabläufe und Ereignisse unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeiten systematisch untersucht werden. Die Projektergebnisse zeigten, dass die im NHWSP gemeldeten Maßnahmen einen signifikanten großräumigen Beitrag zur Absenkung der Scheitel in den untersuchten Flussgebieten leisten können. Demnach könnten durch die Maßnahmen die Pegelstände zukünftiger großer Hochwasser über weite Streckenabschnitte zwischen 10 und 50 cm reduziert werden – unter bestimmten Umständen sogar deutlich mehr.

Parallel zum FuE-Vorhaben zum NHWSP (s.o.) wurden bzw. werden an der BfG drei weitere NHWSP-Projekte im Auftrag der Bundesländer im Elbegebiet durchgeführt. Im Rahmen der Untersuchungen zur Optimierung des Havelstauregimes (2016-2020) und der Havelpoldernutzung (2015-2021) sowie des Vorhabens zur Verbesserung der Hochwassersituation an der Mittelelbe (2017-2024) wurden großräumige 2D-Modelle aufgebaut und zur Beantwortung von Fragen – sowohl direkt abzielend auf die Wirkung der geplanten NHWSP-Maßnahmen als auch allgemeiner im Kontext des Hochwasserrisikomanagements – in den Flussgebieten der Havel bzw. der Elbe verwendet. So konnte bspw. modelltechnisch nachgewiesen werden, dass durch den kombinierten Einsatz ungesteuerter und gesteuerter Maßnahmen bei sehr großen Hochwassern (HQ100/HQ200) großräumige Wasserstandreduktionen von 0,6 m bis 1 m auf weiten Streckenabschnitten der Elbe zwischen Tangermünde und Geesthacht erreichbar wären.

Aktuell arbeitet die BfG im Kontext der Expertengruppe „Modellierung“ der Internationalen Kommission zum Schutz der Mosel und der Saar (IKSMS) an der Verbesserung des Bund-Länder-Modellsystems für die Bundeswasserstraßen Mosel, Saar und (außerhalb des IKSMS-Kontextes) für die Lahn. Das im Frühjahr 2022 beauftragte Projekt, das sich in den 3. Zyklus der Umsetzung der HWRM-Richtlinie (bis 2027) eingliedert, zielt auf die Aktualisierung und Verbesserung der hydrologischen Grundlagen an den genannten Wasserstraßen ab, wird in enger internationaler Abstimmung (Frankreich, Luxemburg) durchgeführt und wird einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Informationsgrundlagen im Hochwasserrisikomanagement der genannten Flüsse leisten.

Die Expertengruppe „Validierung“ (EG HVal) der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) befasste sich in der Vergangenheit – vergleichbar mit dem zuvor genannten FuE-Vorhaben zum NHWSP - mit der (modellbasierten) Analyse der Wirksamkeit der für den Rhein realisierten und geplanten wasserstandsenkenden Maßnahmen. Im Zuge der Verabschiedung des neuen IKSR-Programms „Rhein 2040“ wurde die EG HVal im Frühjahr 2022 reaktiviert. Als eine der an den vergangenen großräumigen Wirkungsanalysen aktiv beteiligten Institutionen evaluiert die BfG derzeit mit den Partnern in der EG die zukünftigen Bedarfe an modellbasierten Wirkungsanalysen sowie dafür erforderliche Vorarbeiten. Die hierzu notwendigen Modellaktualisierungen wurden bereits begonnen und der Modellierungsumfang abgestimmt. Für die vier zu betrachtenden Zeithorizonte (Referenzzustand 2022, 2027, 2033 und 2039) werden jeweils 108 Modellhochwasser (auf der Grundlage von 18 historischen Hochwasserereignissen) modelliert und die Wirkung der 79 wasserstandsmindernden Maßnahmen am Rhein zwischen Basel und der Nordsee berechnet. Die Modellierungen werden in 2024 durchgeführt.

Im Rahmen des Beratungsdienstes zum NHWSP wurden außerdem verschiedene Bund-Länder-Initiativen zur Verbesserung der geodätischen und hydrologischen Grundlagen forciert. Das laufende Projekt zum Aufbau eines DGM-W der Binnenelbe, das gemeinsam von der Flussgebietsgemeinschaft (FGG) Elbe, der BfG und der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung durchgeführt wird, realisiert ein Mehrzweckmodell für das gesamte Binnenelbegebiet inkl. der Altauengebiete. Im Berichtsjahr wurde die Qualitätssicherung der eingehenden Daten, die Befliegungen als solche sowie deren erste Prozessierungsschritte abgeschlossen. Es folgte die Klassifizierung der Befliegungsdaten (Abb. 2a), die voraussichtlich bis Januar 2024 abgeschlossen wird. Parallel dazu wird derzeit die Modellierung des DGM-W vorbereitet, wobei u.a. bestehende topografische Daten der Gewässersohle sowie der Flachwasserbereiche analysiert und priorisiert werden. Zur Übersicht, welche Daten an welcher Lokalität in das Modell einfließen werden, werden Datenquellenkarten erstellt und abgestimmt (z.B. Abb. 2 b, c). Der Projektabschluss ist bis Ende 2024 vorgesehen, so dass das mit Projektende bereitgestellte DGM-W der Binnenelbe ab 2025 u. a. für die Aktualisierung der großräumigen 1D- und 2D-Modelle der Binnenelbe genutzt werden kann.

Beispiele für Zwischenprodukte im Projekt DGM-W Elbe, hier in der Umgebung der Wasserbauwerke (Wehr, Schleuse, Fischtreppe) von Geesthacht (Elbe-km 586).
Source: BfG Beispiele für Zwischenprodukte im Projekt DGM-W Elbe, hier in der Umgebung der Wasserbauwerke (Wehr, Schleuse, Fischtreppe) von Geesthacht (Elbe-km 586). a) Klassifizierte Daten, b) Luftbilder der projektinternen Befliegung, c) Datenquellen, die an der jeweiligen Stelle als Modelleingangsdaten verwendet werden.

Im Projekt zur Erarbeitung eines gemeinsamen Bund-Länder-Messprogramms zur koordinierten und abgestimmten Erfassung und Auswertung von Abflüssen, Wasserspiegellagen sowie der Wasser-Land-Grenze bei hydrologischen Extremereignissen an der Elbe und ihren wichtigen Nebenflüssen werden aktuell die konkreten Bedarfe, Arbeitsabläufe und Produkte erarbeitet und in der FGG Elbe abgestimmt. Diese Projektphase ist wegen der aufwändigen Bund-Länder Abstimmungen bis Anfang 2024 verlängert worden. Ziel ist die Vorbereitung eines zwischen Bund und Ländern abgestimmten Messprogramms zur Vermeidung von Doppelarbeit und Inkonsistenzen im Ereignisfall (Hoch- oder Niedrigwasser). Während die technischen Aspekte weitestgehend feststehen, werden die Möglichkeiten zur Finanzierung der Messprogramme aktuell noch evaluiert.

Des Weiteren werden derzeit noch die neuesten Möglichkeiten der Radarfernerkundung im BfG-Forschungsprojekt „Sat-Land-Fluss: Satellitenbasierte Wasser-Land-Grenzen-Bestimmung“ (2020-2024) praxisnah erprobt. Das Projekt untersucht das Verbesserungspotenzial der Satellitendatenauswertung (Sentinel 1) u.a. für Hochwassermonitoring und morphologische Veränderungsanalyse, wobei der Fokus auf der Integration von vorhandenen Geobasisdaten liegt. Das Projekt wurde und wird auf verschiedenen nationalen und internationalen Konferenzen und Besprechungen vorgestellt.

Der zur Finanzmittelplanung entwickelte webbasierte Assistent eNHWSP befindet sich seit dem Jahr 2016 im Wirkbetrieb. Er unterstützt die LAWA bei der Koordination des Fördermittelbedarfs aus dem Titel „Maßnahmen des präventiven Hochwasserschutzes im Rahmen des NHWSP“ innerhalb der GAK (Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“). Der mehrstufige Prozess von der Anmeldung einer neuen Maßnahme bis zur Feststellung des Fördermittelbedarfs der einzelnen Maßnahmen wird über das eNHWSP gesteuert. Anhand von zuvor definierten Kriterien schlägt das System automatisch eine Fördermittel-Priorisierungsreihenfolge vor; die in den LAWA-Gremien daraufhin getroffenen Entscheidungen werden intern transparent gemacht und dokumentiert. In Anwenderworkshops wurden die von den Bundesländern autorisierten Benutzer über die Funktionen des eNHWSP geschult sowie aktuelle Themen bezüglich der Weiterentwicklung von eNHWSP besprochen und Erfahrungen mit der Anwendung ausgetauscht. Das eNHWSP wird fortlaufend weiterentwickelt und dem Bedarf der Nutzer angepasst.

Ausblick auf die nächsten Jahre

Fortführung und Weiterentwicklung des NHWSP-Dienstes zur zentralen Unterstützung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zu Fragen des Hochwasserschutzes, u. a. durch:

  • Aufbau, Betrieb und Fortschreibung großräumiger mathematischer Modelle sowie – in Zusammenarbeiten mit den FGGen - Durchführung von flussgebietsweiten Wirkungsanalysen, bei Bedarf auch bundesweit,
  • nutzerorientierte und effiziente Erfassung, Auswertung und Bereitstellung aller für den Modellaufbau und die Wirkungsanalyse benötigten Geofachdaten
  • Entwicklung möglichst automatisierter Fortschreibungstechniken digitaler Geländemodelle des Wasserlaufs (DGM-W) u.a. auf Basis von topografischen Daten Dritter und aktualisierter Gewässerbettdaten für zukünftige digitale Zwillinge
  • weitergehende DGM-W Modellierung und Analyse der Auswirkungen auf die hydraulischen Modelle. Das beinhaltet auch die Ableitung weiterführender Parameter wie Rauigkeit oder Vegetationsparameter auf Basis real erfasster Messwerte
  • Weiterentwicklung, Pflege und Betrieb des Planungsassistenten eNHWSP sowie von Werkzeugen zur Datenerfassung und Ergebnisdarstellung
  • Mitarbeit in einschlägigen Expertengruppen der LAWA, der Flussgebietsgemeinschaften und der internationalen Flussgebietskommissionen

Verwertung der Ergebnisse

Die bereitgestellten IT-Werkzeuge und deren Ergebnisse tragen insgesamt zu einem verbesserten Hochwasserrisikomanagement in Deutschland (und auch international) bei und befördern die länderübergreifende Abstimmung bei der Planung großräumiger Schutzmaßnahmen mit Fokus auf deren überregionale Wirksamkeit. Die auf Basis von homogenen Daten und nach vergleichbaren Standards aufgebauten hydraulischen und hydrologischen Simulationsmodelle stellen darüber hinaus wesentlich verbesserte Grundlagen für weitere gewässerkundliche und wasserwirtschaftliche Aufgaben der Behörden des Bundes und der Länder zur Verfügung.

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