QUISS Fraktionierung, Speziierung, Umwandlungsprozesse und Mobilität von Quecksilber in Sedimenten und Schwebstoffen deutscher Fließgewässer

Welche biogeochemischen Prozesse und Umweltfaktoren führen dazu, dass trotz der seit vielen Jahren sinkenden Einträge von Quecksilber in Oberflächengewässer die Umweltqualitätsnorm der EU-Wasserrahmenrichtlinie für Quecksilber in deutschen Fließgewässern weiterhin flächendeckend überschritten wird?

Eine wichtige Rolle spielen dabei die Remobilisierung von Quecksilber aus kontaminierten Altsedimenten sowie die durch Mikroorganismen durchgeführte Umwandlung anorganischer Quecksilberformen in hochgiftiges organisches Methylquecksilber, welches sich anschließend entlang der Nahrungskette in aquatischen Organismen anreichert.

Beprobung von frisch abgelagertem „Jungsediment“ in einem Buhnenfeld der Elbe (Fluss-km 477, Nähe Schnackenburg) im August 2023. © J. Wiederhold / BfG
Beprobung von frisch abgelagertem „Jungsediment“ in einem Buhnenfeld der Elbe (Fluss-km 477, Nähe Schnackenburg) im August 2023. © J. Wiederhold / BfG

Themenschwerpunkt

Ökosysteme und Biodiversität

Projekttyp

BMDV-finanzierte Forschung für Wasserstraßen

Laufzeit

01/2022 - 07/2025

Forschungsart

Angewandte Forschung

Auftraggeber

BMDV

Projektnummer

M39600001214

Projektstatus

Aktiv

Quecksilber und Quecksilberverbindungen stehen auf der Liste der „prioritär gefährlichen Stoffe“ der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) und, entsprechend der Umsetzung in nationales Recht, der deutschen Oberflächengewässerverordnung (OGewV). Quecksilber (Hg) ist ein natürlich vorkommendes chemisches Element, jedoch wurde es durch den Menschen von stabil gebundenen und relativ immobilen chemischen Verbindungen in Hg-Erzen (z. B. dem Mineral Zinnober, HgS) in andere Hg-Formen umgewandelt, die eine höhere Reaktivität und Mobilität in der Umwelt aufweisen. Quecksilber wurde für lange Zeit in verschiedenen industriellen Prozessen für eine Vielzahl von Anwendungen in Deutschland und weltweit eingesetzt. Dabei wurde das in allen seinen Verbindungen giftige Quecksilber auch in großen Mengen in natürliche Ökosysteme eingetragen, u. a. auch in Fließgewässer. Durch den für elementares Hg charakteristischen gasförmigen Transport in der Atmosphäre wurde Quecksilber zudem weltweit verbreitet. Die im Jahr 2013 verabschiedete globale Minamata-Konvention der Vereinten Nationen hat das Ziel, den Ausstoß von Quecksilber weltweit einzudämmen und so Menschen und Umwelt vor dieser gefährlichen Substanz zu schützen. In Deutschland ist die andauernde Belastung mit Quecksilber einer der wesentlichen Gründe dafür, dass der chemische Zustand von allen großen Flüssen nach den Vorgaben der EU-WRRL als "nicht gut" eingestuft wird. Die EU-Umweltqualitätsnorm für Quecksilber in Fischen wird flächendeckend überschritten, trotz deutlicher Reduktionen der direkten Hg-Einträge in Fließgewässer in den letzten Jahrzehnten. Die historische Belastung der Gewässersedimente stellt vermutlich eine Hauptursache für die anhaltend erhöhten Hg-Konzentrationen in Fischen und anderen aquatischen Organismen dar. Die zugrundeliegenden biogeochemischen Prozesse und Transportpfade von Hg in Fließgewässern (Schwebstoff <-> Sediment -> Biota) sind jedoch komplex und nur ungenügend verstanden

Veranlassung

Das QUISS-Projekt soll die BfG handlungsfähiger bei der Bearbeitung aktuell dringlicher Fragestellungen im Bereich Biogeochemie von Quecksilber (Hg) machen, auf internationalem Niveau vorhandene Wissenslücken zur Hg-Speziierung in Sedimenten und Schwebstoffen schließen und ermöglichen, Sicherheit über mögliche Einflüsse von Unterhaltungsmaßnahmen der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) und der Länder zu gewinnen, um diese letztlich in Managementvorschläge oder Handlungsanweisungen einfließen zu lassen. Da die routinemäßig praktizierte Messung von Gesamt-Hg-Konzentrationen nicht ausreicht, um verlässliche Risikoabschätzungen und Vorhersagen zum Verhalten von Hg in Fließgewässern machen zu können, wird neben der Entwicklung empfindlicher und robuster Analysemethoden für Methyl-Hg eine Charakterisierung anorganischer Hg-Verbindungen in Sedimenten und Schwebstoffen sowie die Untersuchung der für die Hg-Methylierung relevanten Mikroorganismen an Feldproben und Proben aus Laborexperimenten durchgeführt.

Das Projekt QUISS soll zur Aufklärung der Umwandlungsprozesse und Transportpfade von Quecksilber und Quecksilberspezies in den Bundeswasserstraßen beitragen. Als Untersuchungsgebiete wurden neben verschiedenen Standorten an der historisch stark mit Quecksilber kontaminierten Elbe und ihrer Zuflüsse Mulde und Saale auch die vergleichsweise geringer belastete Donau mit ihren Zuflüssen Inn und Ilz ausgewählt. Zusätzlich zur Untersuchung der im Feld gesammelten Proben (v. a. Schwebstoffe und Sedimente) mit verschiedenen chemischen und molekularbiologischen Methoden werden auch kontrollierte Laborexperimente durchgeführt, um die Dynamik von Hg und Methyl-Hg und ihre Verteilung zwischen Porenwasser und Feststoffphase an der Sediment-Wasser-Grenzschicht zu untersuchen.

Ziele

  • Untersuchung von Hg-Bindungsformen in Sedimenten/Schwebstoffen und ihrer Mobilität/Bioverfügbarkeit unter wechselnden Umweltbedingungen
  • Bestimmung des Methyl-Hg-Anteils am Gesamt-Hg-Gehalt in Wasser und Sedimenten/Schwebstoffen
  • Identifizierung von Hotspots für die Methyl-Hg-Bildung in Bundeswasserstraßen
  • Untersuchung von Mikroorganismengemeinschaften und ihrem Einfluss auf Hg-Speziesumwandlungen
  • Aufklärung der Umweltfaktoren, die Balance von Hg-Methylierung und Demethylierung kontrollieren
  • experimentelle Bestimmung des Einflusses von Störungen der Sediment/Wasser-Grenzschicht auf Hg-Spezies-Dynamik

Ergebnisse

Die bereits vorliegenden Ergebnisse von QUISS beinhalten (1.) Methodentests zur Probennahme und -konservierung von Probenmaterial für die Bestimmung unterschiedlicher Hg-Spezies, (2.) die erfolgreiche Entwicklung und Validierung der analytischen Methoden für die Methyl-Hg-Bestimmung in Wasser- und Sediment/Schwebstoff-Proben, (3.) die Durchführung von neun jeweils einwöchigen Probennahmekampagnen (sieben im Bereich Mittelelbe/Saale/Mulde und zwei im Bereich Donau/Inn/Ilz) zur Gewinnung von Schwebstoff- und Sedimentproben, (4.) die Labormessung chemischer und biologischer Parameter (u. a. Methyl-Hg, 16S rDNA Sequenzierung, pyrolytische Hg-Thermodesorption) an den Feldproben mit einer Vielzahl analytischer Methoden, (5.) die Durchführung von Experimenten mit einem für das Projekt optimierten Mesoprofiling-Laboraufbau für Experimente an der Sediment/Wasser-Grenzschicht, und (5.) die Durchführung von Leachingexperimenten zur Hg-Mobilität- und potenziellen Bioverfügbarkeit im Rahmen einer Masterarbeit an der BfG.

Ausgewählte neue Erkenntnisse sind insbesondere

  1. die zwingende Notwendigkeit Probenmaterial vor Ort einzufrieren, um Veränderungen der Methyl-Hg-Konzentration und Veränderungen an der Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft zu verhindern,
  2. die Eignung einer alkalischen Extraktionsmethode in Kombination mit Ethylierung und GC-AFS-Analytik zur Methyl-Hg-Bestimmung in Schwebstoffen und Sedimenten,
  3. die deutlichen Unterschiede in der Zusammensetzung, den Hg-Bindungsformen, der Hg-Mobilität und den mikrobiellen Gemeinschaften von Schwebstoffproben aus Durchflusszentrifugen und Sedimentationsboxen,
  4. die Methyl-Hg-Bildung in im Fluss hängenden Sedimentationsboxen in den Sommermonaten (> 1 % des Gesamt-Hg über einen Monat), was auf eine hohe Bedeutung frisch abgelagerter Jungsedimente für die Methyl-Hg-Dynamik in Flüssen hindeutet.

Ausblick auf die nächsten Jahre

Der Fokus der Arbeiten wird sich in der verbleibenden Projektlaufzeit weg von der Durchführung von Probennahmekampagnen hin zur detaillierten Analyse der gesammelten Feldproben und der Auswertung der gewonnenen Ergebnisse verschieben. Dabei werden in den nächsten Monaten neben vielen Laboranalysen und -experimenten auch die Erarbeitung der geplanten Publikationen und die Organisation eines BfG-Symposiums am 3.+5.12.2024 im Mittelpunkt stehen. Ein wichtiges Thema wird dabei der Transfer der grundlagenorientierten neuen Erkenntnissen zur Methyl-Hg-Dynamik und seinen vielfältigen biogeochemischen Einflussfaktoren aus ausgewählten Bundeswasserstraßen auf die angewandte Ebene des Sedimentmanagements und z. B. den Effekt von Unterhaltungsmaßnahmen darstellen. Eine Fortführung der Forschungsaktivitäten von QUISS in Nachfolgeprojekten an der BfG ist geplant, wobei der Fokus vom System „Sedimente und Schwebstoffe“ hin zur Ebene von Organismen und den Transfer von Methyl-Hg in aquatische Nahrungsnetze erweitert werden soll.

Projektpartner

  • TU Braunschweig, Institut für Geoökologie

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