„Methoden und Anwendungen von hydrologischen Vorhersagen haben in den vergangenen zehn Jahren enorme Fortschritte erzielt,“ stellte BfG-Abteilungsleiterin Petra Herzog eingangs des zweitägigen Kolloquiums in Koblenz fest. Aus dem Portfolio der bereits etablierten Vorhersageprodukte von BfG und WSV stellte sie die 14-Tage-Vorhersage und die 6-Wochen-Vorhersage vor, die die Planbarkeit und Effizienz für Logistik und Schifffahrt aber auch für das Wasserstraßenmanagement erheblich verbesserten und in enger Abstimmung mit Nutzenden und Stakeholdern abgestimmt wurden. Mit dem Blick in die Zukunft skizzierte Petra Herzog, dass bei der BfG neben der weiteren Reduktion der Unsicherheiten und einer Steigerung der Vorhersagegüte auch an saisonalen 3-Monatsvorhersagen wie auch an dekadischen 10-Jahresprognosen gearbeitet wird. Diese Weiterentwicklungen versprächen weitreichende Vorteile besonders in den Anwendungsfeldern Verkehrssicherheit, Energiemanagement und Wasserbewirtschaftung. Angesichts der bereits erreichten Entwicklungen und der dynamischen Einflüsse der Künstlichen Intelligenz steige die Bedeutung von Vernetzungstreffen, um den Dialog und den interdisziplinären Austausch zwischen den beteiligten Akteuren zu fördern. Dies solle durch einen intensiven Wissenstransfer unterstützt werden, um zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln und den Einsatz der Vorhersagen und den Umgang mit Unsicherheiten weiter zu verbessern.
Torben Gerlach, Fachbereich Gewässerkunde der WSV, ergänzte, dass die kurzfristigen operationellen Vorhersagedienste auf Basis der in der BfG entwickelten Methoden zukünftig in der WSV erbracht werden, perspektivisch auch die Mittelfristvorhersagen. In diesem Zusammenhang erklärte er den Teilnehmenden, dass es innerhalb der WSV zu einer Neuorganisation der Gewässerkunde gekommen ist, um eine einheitliche und effektive Struktur für Vorhersagedienste, Verfahrensbetreuungen und gewässerkundliche Analysen zu schaffen. Organisatorisch ist der neue Fachbereich dem WSA (Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt) Oberrhein zugeordnet. Die Gewässerkunde der WSV werde dadurch in ihrer Rolle als unverzichtbare Basis für die Unterhaltung, den Ausbau und Betrieb der Bundeswasserstraßen gestärkt.
Ensemble-Vorhersagen und statistische Vorhersagemethoden
Die sich anschließenden Fachvorträge der ersten Session beleuchteten die neuesten Entwicklungen hinsichtlich Ensemble-Vorhersagen anhand konkreter Beispiele. Es wurde deutlich, dass eine Verfeinerung und Weiterentwicklung der zugrundeliegenden Modelle und Methoden die Vorhersagegenauigkeit entscheidend beeinflussen können. Beiträge wie das „SINFONY-System“ des Deutschen Wetterdienstes (DWD) oder neue meteorologische Vorhersageprodukte aus der Schweiz demonstrierten innovative Ansätze zur Quantifizierung von Unsicherheiten. Thematisiert wurden zudem Fortschritte bei der kombinierten Postprozessierung von Temperatur- und Niederschlagsvorhersagen sowie die Klimavorhersagen des DWD. Diese Praxisbeispiele verdeutlichten auch Fortschritte bei den Visualisierungen im Hinblick das schnelle und intuitive Verständnis der Informationen für die Nutzenden.
Die zweite Session zeigte, wie datengetriebene Methoden und maschinelles Lernen auch zunehmend die Hydrologie revolutionieren. Beispiele wie die Anwendung von Machine Learning zur mittelfristigen Vorhersage am Rhein oder die Entwicklung konsistenter hydrologischer Simulationen verdeutlichten das Potenzial dieser Ansätze. Der Beitrag zu Multi-Modell-Wahrscheinlichkeitsvorhersagen lieferte praxisnahe Einblicke, wie Unsicherheiten bei Vorhersagehorizonten von bis zu einem Monat reduziert werden können. Diese Methoden können maßgeblich dazu beitragen, sowohl kurzfristige Vorhersagen als auch saisonale Simulationen weiter zu verbessern.
Wahrscheinlichkeitsbasierte hydrologische Vorhersageprodukte
Die dritte Session stellte die praktische Erstellung und Nutzung von probabilistischen Vorhersagen in den Mittelpunkt. Referent/-innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz präsentierten ihre Erfahrungen bei Hochwasser- und Niedrigwasservorhersagen, die probabilistische Ansätze integrieren. Eindrucksvoll war der Beitrag zu 10 Jahren Erfahrung mit Ensemble-Vorhersagen in Rheinland-Pfalz, der die Entwicklung dieser Technologie für den operativen Einsatz illustrierte und die Herausforderungen u. a. anhand der Sturzflut-Extremereignisse in der Eifel vom Juli 2021 verdeutlichte. Ein anderes anschauliches Beispiel aus Brandenburg wurde in Bezug auf die Hochwasserereignisse an der Oder im September 2024 vorgestellt. Zudem wurden die Herausforderungen der europaweiten Kommunikation probabilistischer Vorhersagen anhand von Beispielen des Europäischen Hochwasserfrühwarnsystems EFAS (European Flood Awareness System) betrachtet.
Entscheidungen unter Unsicherheit
An vielen Stellen wurde deutlich, dass in Extremsituationen ein großer Druck besteht, möglichst schnell konkrete Zahlen für die Entscheidungsfindung zu liefern. Die immanenten Unsicherheiten, die auch als „Wahrscheinlichkeiten“ oder „Korridore“ beschrieben werden könnten, sollten hierbei immer konsequent erklärt werden. Festgehalten wurde auch, dass die intuitive Visualisierung hilft, die Vielzahl an Anfragen zur jeweiligen Vorhersage zu reduzieren; Eine unterstützende Einordnung und Kommunikation der Akteure untereinander sei nach wie vor unerlässlich, um die Fachlichkeit zu wahren. Vor diesem Hintergrund und weiterer Beiträge wurde das Kolloquium durch Beiträge abgerundet, die den Einfluss von Unsicherheiten auf Entscheidungsprozesse thematisierten. Beispiele wie die Betriebsoptimierung von Wasserkraftanlagen oder Managemententscheidungen in komplexen Logistikketten infolge extremer Wetterereignisse verdeutlichten, dass in den letzten Jahren probabilistische hydrologische Vorhersagen, obwohl sie auf den ersten Blick sehr komplex erscheinen, mittlerweile als fester Bestandteil von vielen Entscheidungen etabliert sind. Auch die Wasserstandsvorhersagen im Eider-Treene-Sorge-System und die Abflussregelung an den Talsperren des Bundes zeigten, wie technische und organisatorische Lösungen helfen, mit Unsicherheiten in der Praxis umzugehen. Diese Beispiele unterstrichen die Bedeutung enger Zusammenarbeit zwischen Vorhersagezentralen und Anwender/-innen.
Zusammenfassung und Ausblick
Unsicherheiten sind steter Begleiter jeder Vorhersage. In Hydrologie und Meteorologie entstehen sie an verschiedenen Stellen des Vorhersageprozesses (Unzulänglichkeiten der Eingangsdaten, Prozessbeschreibungen und -parameter, Anfangswerte und Randbedingungen etc.) und sind je nach raum-zeitlicher Vorhersageskala unterschiedlich stark ausgeprägt. Trotz der bestehenden Unsicherheiten sind hydro-meteorologische Vorhersagen, wie während des Kolloquiums deutlich wurde, von großem Nutzen. Es bedarf jedoch des richtigen Umgangs mit den Unsicherheiten: Sie sind adäquat zu quantifizieren, soweit möglich zu reduzieren, geeignet zu kommunizieren sowie durch die Nutzenden angemessen weiterzuverarbeiten. Thomas Maurer, Referatsleiter der BfG, resümierte mit dem Blick auf die Kommunikation von Bandbreiten der Hochwasservorhersage zwei Aspekte: „Zu häufige Warnungen bis hin zur Dauerwarnung vor Extremereignissen, die dann doch nicht eintreten, sind keine Lösung. Ansonsten verlieren die Warnungen an Glaubwürdigkeit. Und es ist wichtig, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Entscheidungstragende angesichts von immer verbleibenden Unsicherheiten ein Spielraum zugebilligt werden muss, Entscheidungen zu treffen, die sich rückblickend als falsch herausstellen können – in der Situation der Entscheidung auf Basis der zu dem Zeitpunkt vorliegenden Informationen jedoch im Rahmen des Wahrscheinlichen lagen.“ Alle Akteure sollten daran mitwirken, diese Zusammenhänge zu kommunizieren und so die gesellschaftliche Resilienz insgesamt zu fördern.
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